Eine Stuttgarterin zu S21
- f-chen am 16.Aug 10, 03:02
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Ich wohne in Stuttgart.
Was ich hier zurzeit erlebe, hätte ich dieser Stadt nicht zugetraut. Bürger aus allen Schichten haben sich zusammengeschlossen, um sich gegen Stuttgart 21 zur Wehr zu setzen. Sie fühlen sich belogen und betrogen und von den hiesigen Politikern mit Füßen getreten. Wenn man sich anschaut, was in den letzten Wochen so alles ans Licht kam, brauch man sich über die wachsende Wut nicht wundern.
So kamen mal wieder Kostensteigerungen für die Neubaustrecke Ulm-Wendligen in Höhe von über 800 Millionen € raus.
Unser Finanzbürgermeister Föll saß im Beirat der Firma Wolff & Müller, die den Zuschlag für den Abriss des Nordflügels bekommen haben (nach massiver Kritik der Suttgarter hat er diesen Posten aufgegeben).
Mappus hat 2001, 1,45 Millionen Bahnkilometer gekauft, die erst nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 benötigt werden. Der Grund - die Bahn hat festgestellt, dass für die Wirtschaftlichkeit des Projektes über 100 Millionen € fehlen. Also hat das Land nachgeholfen und sich S21 gekauft.
Weitere Punkte, das Projekt abzulehnen sind mehrere Studien, die in letzter Zeit öffentlich wurden.
Da ist zum einen die Studie des Bundesrechnungshofes, der von Kosten für den Tiefbahnhof in Höhe von 5,3 Milliarden € ausgeht.
Dem Bahnchef Grube ist diese Studie unbekannt. Offensichtlich noch heute, den die Bahn hält an ihren schön kalkulierten 4,088 Milliarden € fest. Die kamen allerdings erst zustande, nachdem man die Dicke der Betonröhren auf Kosten der Sicherheit, dünner gemacht hat. Sonst wäre nämlich die Schmerzgrenze von 4,5 Milliarden € überschritten worden.
Für die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen sagt der Bundesrechnungshof Kosten in Höhe von 3,2 Milliarden € vorraus. 300 Millionen mehr als die Bahn.
Hier ein schöner Bericht von Frontal 21 dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=PJritWnnCVM&feature=related
Eine Studie der Firma SMA, die vom Land BaWü in Auftrag gegeben wurde, attestiert dem Projekt ein "hohes Stabilitätsrisiko", spricht von einem "schwer beherschbaren Gesamtsystem" und von einer "geringen Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplans". Laut dieser Studie werden mit S21 Engpässe geschaffen, die es heute mit dem Kopfbahnhof nicht gibt.
Die Gegener haben diese, zwei Jahre lang von Land geheimgehaltene Studie nun veröffentlicht. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie sich auf diese veraltete Studie berufen. Die Engpässe die dort genannt werden seien längst behoben. Komischerweise wurde für die im Gutachten benannte Schwachstelle zum Flughafen, erst nach bekannt werden der Studie ein zweites Gleis geplant.
Ein weiteres Gutachten des Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss, dass der für die Wirtschaftlichkeit des Projekts benötigte Güterverkehr die Neubaustrecke gar nicht befahren kann. Dieser muss sich also wie bisher weiter die Geislinger Steige hinaufschlängeln. Und die schönen neuen leichten Güterzüge, die die Strecke befahren können und die von de Befürwortern immer wieder als Pro Argument genutzt werden, gibt es so gar nicht.
Gerne wird den Gegener auch vorgeworfen, dass alles demokratisch legitimiert und sauber durch Parlamente abgesegnet worden sei und sie viel zu spät kämen mit ihrem Protest: Hätten sie sich mal früher zu Wort gemeldet... Haben sie. Bereits 1997 forderten sie einen Bürgerentscheid zu Stuttgart 21. Hier ein Video dazu: http://www.archive.org/details/Stuttgart_1997&reCache=1
Schuster versprach im Wahlkampf 2004 einen Bürgerentscheid durchzuführen, wenn die Kosten steigen sollten. Darauf warten wir bis heute.
2007 sammelten Stuttgarter Bürger, innerhalb weniger Wochen 67 000 Unterschriften gegen das Projekt. Sie wollten einen Bürgerentscheid. Dieser wurde abgelehnt.
Heute behauptet OB Schuster, die Bürger wären wiederholt gefragt worden und es wären Umfragen gemacht worden, in denen zwei drittel S21 zugestimmt hätten.
Ich wohne schon sehr lange in Stuttgart und befaße mich auch schon lange mit dem Projekt. Gefragt wurde ich noch nie. Auch meine Freunde, die ebenfalls lange, oder schon immer in Stuttgart wohnen, wurden nie gefragt...
Ein Punkt, der für S21 spricht ist die Fahrzeitverkürzung nach Ulm. Heute 58 Minuten, soll man dann in 28 Minuten da sein. Hätte man jedoch die Strecke nicht über Jahre vernachlässigt, wäre man heute in 40 Minuten in Ulm.
Es wird auch immer davon geredet, dass wir einen Anschluss an den Fernverkehr bekommen. Wir HABEN einen Anschluss an den Fernverkehr. Es halten ICE, TGV und weitere Hochgeschwindigkeitszüge bei uns. Stuttgart ist kein Provinzbahnhof, in den nur Regionalbahnen einfahren, sondern der zweitpünktlichste Bahnhof Deutschlands.
Weitere Punkte, die gegen S21 sprechen sind:
- Verringerrung der Gleise von 16 auf 8 Gleise
- Haltezeit von Zügen zwischen 1 und 2,2 Minuten - viel Spaß, wenn man mit viel Gepäck oder Kinderwagen unterwegs ist.
- Ebenerdiger problemloser Zugang wird zu Rolltreppe und Aufzug.
- Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Bonatzbaus
- Zerstörung eines wunderschönen Parks, der von der Stuttgarter Bevolkerung heißgeliebt wird.
- Großbaustelle von 10 Jahren (lt. Befürworter), 15 - 20 Jahre (lt. Gegner)
- Für die Baustelle muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Die Pflanzen werden sich freuen. Die Gegner sehen die Mineralwasserquellen in Gefahr.
Ich könnte noch mehr Argumente gegen Stuttgart 21 aufführen. Mich haben die Argumente der Gegener jedenfalls gründlich überzeugt.
Auch wenn uns Gegnern immer wieder vorgeworfen wird, wir wären ewiggestig und stellen uns gegen die Zukunft der nachfolgenden Generationen werde ich weiterhin für meinen ungeborenen Sohn auf die Straße gehen. Zukunft sehe in diesem Projekt nicht. Zukunft wäre es für mich, wenn das Geld in Bildung, Kitas und Schulen gesteckt wird.
Trotz der steigenden Wut bleibt alles friedlich. Am Freitag versammelten sich über 20 000 Demonstranten zu einer Menschenkette um den Bahnhof. Die meisten hielten Kerzen in der Hand, die von den Organisatoren besorgt wurden. Als es dunkel wurde und die Menschen zum Rathaus zogen, gab die Menge mit den Kerzen ein wunderbares Bild ab. Es macht grad wirklich viel Freude hier zu wohnen und zu sehen, wie eine Bewegung von Tag zu Tag wächst.
Zum Abschluss noch eine kritische Videoempfehlung zum Projekt: http://swrmediathek.de/player.htm?show=a9828cc0-a384-11df-96e4-00199916cf68
Was ich hier zurzeit erlebe, hätte ich dieser Stadt nicht zugetraut. Bürger aus allen Schichten haben sich zusammengeschlossen, um sich gegen Stuttgart 21 zur Wehr zu setzen. Sie fühlen sich belogen und betrogen und von den hiesigen Politikern mit Füßen getreten. Wenn man sich anschaut, was in den letzten Wochen so alles ans Licht kam, brauch man sich über die wachsende Wut nicht wundern.
So kamen mal wieder Kostensteigerungen für die Neubaustrecke Ulm-Wendligen in Höhe von über 800 Millionen € raus.
Unser Finanzbürgermeister Föll saß im Beirat der Firma Wolff & Müller, die den Zuschlag für den Abriss des Nordflügels bekommen haben (nach massiver Kritik der Suttgarter hat er diesen Posten aufgegeben).
Mappus hat 2001, 1,45 Millionen Bahnkilometer gekauft, die erst nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 benötigt werden. Der Grund - die Bahn hat festgestellt, dass für die Wirtschaftlichkeit des Projektes über 100 Millionen € fehlen. Also hat das Land nachgeholfen und sich S21 gekauft.
Weitere Punkte, das Projekt abzulehnen sind mehrere Studien, die in letzter Zeit öffentlich wurden.
Da ist zum einen die Studie des Bundesrechnungshofes, der von Kosten für den Tiefbahnhof in Höhe von 5,3 Milliarden € ausgeht.
Dem Bahnchef Grube ist diese Studie unbekannt. Offensichtlich noch heute, den die Bahn hält an ihren schön kalkulierten 4,088 Milliarden € fest. Die kamen allerdings erst zustande, nachdem man die Dicke der Betonröhren auf Kosten der Sicherheit, dünner gemacht hat. Sonst wäre nämlich die Schmerzgrenze von 4,5 Milliarden € überschritten worden.
Für die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen sagt der Bundesrechnungshof Kosten in Höhe von 3,2 Milliarden € vorraus. 300 Millionen mehr als die Bahn.
Hier ein schöner Bericht von Frontal 21 dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=PJritWnnCVM&feature=related
Eine Studie der Firma SMA, die vom Land BaWü in Auftrag gegeben wurde, attestiert dem Projekt ein "hohes Stabilitätsrisiko", spricht von einem "schwer beherschbaren Gesamtsystem" und von einer "geringen Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplans". Laut dieser Studie werden mit S21 Engpässe geschaffen, die es heute mit dem Kopfbahnhof nicht gibt.
Die Gegener haben diese, zwei Jahre lang von Land geheimgehaltene Studie nun veröffentlicht. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie sich auf diese veraltete Studie berufen. Die Engpässe die dort genannt werden seien längst behoben. Komischerweise wurde für die im Gutachten benannte Schwachstelle zum Flughafen, erst nach bekannt werden der Studie ein zweites Gleis geplant.
Ein weiteres Gutachten des Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss, dass der für die Wirtschaftlichkeit des Projekts benötigte Güterverkehr die Neubaustrecke gar nicht befahren kann. Dieser muss sich also wie bisher weiter die Geislinger Steige hinaufschlängeln. Und die schönen neuen leichten Güterzüge, die die Strecke befahren können und die von de Befürwortern immer wieder als Pro Argument genutzt werden, gibt es so gar nicht.
Gerne wird den Gegener auch vorgeworfen, dass alles demokratisch legitimiert und sauber durch Parlamente abgesegnet worden sei und sie viel zu spät kämen mit ihrem Protest: Hätten sie sich mal früher zu Wort gemeldet... Haben sie. Bereits 1997 forderten sie einen Bürgerentscheid zu Stuttgart 21. Hier ein Video dazu: http://www.archive.org/details/Stuttgart_1997&reCache=1
Schuster versprach im Wahlkampf 2004 einen Bürgerentscheid durchzuführen, wenn die Kosten steigen sollten. Darauf warten wir bis heute.
2007 sammelten Stuttgarter Bürger, innerhalb weniger Wochen 67 000 Unterschriften gegen das Projekt. Sie wollten einen Bürgerentscheid. Dieser wurde abgelehnt.
Heute behauptet OB Schuster, die Bürger wären wiederholt gefragt worden und es wären Umfragen gemacht worden, in denen zwei drittel S21 zugestimmt hätten.
Ich wohne schon sehr lange in Stuttgart und befaße mich auch schon lange mit dem Projekt. Gefragt wurde ich noch nie. Auch meine Freunde, die ebenfalls lange, oder schon immer in Stuttgart wohnen, wurden nie gefragt...
Ein Punkt, der für S21 spricht ist die Fahrzeitverkürzung nach Ulm. Heute 58 Minuten, soll man dann in 28 Minuten da sein. Hätte man jedoch die Strecke nicht über Jahre vernachlässigt, wäre man heute in 40 Minuten in Ulm.
Es wird auch immer davon geredet, dass wir einen Anschluss an den Fernverkehr bekommen. Wir HABEN einen Anschluss an den Fernverkehr. Es halten ICE, TGV und weitere Hochgeschwindigkeitszüge bei uns. Stuttgart ist kein Provinzbahnhof, in den nur Regionalbahnen einfahren, sondern der zweitpünktlichste Bahnhof Deutschlands.
Weitere Punkte, die gegen S21 sprechen sind:
- Verringerrung der Gleise von 16 auf 8 Gleise
- Haltezeit von Zügen zwischen 1 und 2,2 Minuten - viel Spaß, wenn man mit viel Gepäck oder Kinderwagen unterwegs ist.
- Ebenerdiger problemloser Zugang wird zu Rolltreppe und Aufzug.
- Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Bonatzbaus
- Zerstörung eines wunderschönen Parks, der von der Stuttgarter Bevolkerung heißgeliebt wird.
- Großbaustelle von 10 Jahren (lt. Befürworter), 15 - 20 Jahre (lt. Gegner)
- Für die Baustelle muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Die Pflanzen werden sich freuen. Die Gegner sehen die Mineralwasserquellen in Gefahr.
Ich könnte noch mehr Argumente gegen Stuttgart 21 aufführen. Mich haben die Argumente der Gegener jedenfalls gründlich überzeugt.
Auch wenn uns Gegnern immer wieder vorgeworfen wird, wir wären ewiggestig und stellen uns gegen die Zukunft der nachfolgenden Generationen werde ich weiterhin für meinen ungeborenen Sohn auf die Straße gehen. Zukunft sehe in diesem Projekt nicht. Zukunft wäre es für mich, wenn das Geld in Bildung, Kitas und Schulen gesteckt wird.
Trotz der steigenden Wut bleibt alles friedlich. Am Freitag versammelten sich über 20 000 Demonstranten zu einer Menschenkette um den Bahnhof. Die meisten hielten Kerzen in der Hand, die von den Organisatoren besorgt wurden. Als es dunkel wurde und die Menschen zum Rathaus zogen, gab die Menge mit den Kerzen ein wunderbares Bild ab. Es macht grad wirklich viel Freude hier zu wohnen und zu sehen, wie eine Bewegung von Tag zu Tag wächst.
Zum Abschluss noch eine kritische Videoempfehlung zum Projekt: http://swrmediathek.de/player.htm?show=a9828cc0-a384-11df-96e4-00199916cf68