Freitag, 1. Oktober 2010

In Stuttgart ist gestern etwas zerbrochen

Was gestern hier in Stuttgart passiert ist, macht mich einfach nur sprachlos. Fassungslos schaue ich dieser geballten Machtdemonstration ins Auge. Ist das hier noch das Deutschland, das ich kenne? Ein Bahnhof, den die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt wird mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken durchgeprügelt. Ich habe die Bilder gesehen und konnte leider nicht vor Ort sein, also saß ich den ganze Tag vorm Internet, habe livestreams und twitter verfolgt. Habe Bilder und Videos angeschaut. Was ich sah war einfach nur schockierend. Es wurde auf Schüler und friedlich Demonstrierende eingeprügelt. Grundlos mit Reizgas in die Menge gesprüht und nachher sinnlos mit Wasserwerfern auf sitzende Demonstranten geschossen. Hunderte Verletzte waren die Folge. Gebrochene Nasen, Prellungen, blutende Augen und Platzwunden. Die Gewalt die ich gesehen habe ging von der Polizei aus, nicht von den Demonstranten.
Fassunglos sah ich wie die Polizei auf friedliche Bürger aller Schichten und Altersklassen mit unverhältnismäßiger Gewalt losging, die sie doch eigentlich zu schüzten hat.

Was mich heute noch sprachloser macht ist, mit welcher Dreistigkeit von Seiten der CDU jetzt versucht wird, die Schuld den Protestieren zuzuschieben.
Das fing schon gestern abend an, als Innenminister Rech von Pflastersteinen sprach, die aus der Schülerdemo gegen Polizisten geworfen worden seien. Ausserdem sei Pfefferspray gegen die Beamten gesprüht worden. Den ganzen Tag habe ich nicht ein Bild oder Video gesehen, oder etwas bei twitter gelesen, dass darauf hindeutetete. Kein Wunder. Das Innenministerium zog diese Aussage später zurück. Sie waren wohl "falsch informiert". Aber Rech rechtfertigte die eskalierende Polizeigewalt aufgrund nichtexistierender Pflastersteine. Er hat bewußt gelogen. Ausserdem behauptete er, dass niemand mit den Deeskalationsteams der Polizei reden wollte. Waren das die Schwarzgekleideten mit Helm vermumten Beamten die sich bedrohlich um die Demonstranten aufbauten?

Ebenso wird nun behauptet Schüler wären von ihren Eltern und Lehrern instrumentalisiert worden und absichtlich in den Park geschickt worden. Hierbei handelte es sich um einen genehmigten Schülerstreik. Warum also muss die Polizei just in dem Moment mit Wasserwerfern, Hundertschaften und Absperrgitter im Park auftauchen, in dem sich die Schüler dort auf ihrer genehmigten Demonstration aufhalten? Sind die Schüler etwa Schuld, oder deren Eltern? Warum genau da, morgens gegen 10 Uhr, wenn das Gelände erst um Mitternacht in Bahnbesitz übergeht? Sie behaupteten später nichts von dem Streik gewußt zu haben. Wer hat das angeordnet? Die Schülerdemo war bereits fünf Tage vorher genehmigt worden und die Polizei soll davon nichts gewußt haben?
Es wird von Müttern geredet, die ihre Kinder in die erste Reihe gegen die Wasserwerfer gesetzt hätten? Wo sind den die Bilder und Videos dazu? Ich hab noch nicht eins gesehen.

Mappus, Rech und Co. versuchen, jetzt wo sie merken, dass ihre Augen zu und durch Strategie vielleicht doch nicht funktioniert, mit billiger Proapaganda die Demonstranten zu kriminalisieren. Sie haben noch nicht begriffen, dass gestern im Park nicht die üblicherweise gut zu kriminalisierenden Linken, Chaoten und Berufsdemonstranten angegriffen wurden, sondern das Bürgertum.
Und bei all diesen Menschen, egal ob sie dabei waren, oder aus den Medien davon erfuhren, ist etwas zerbrochen. Der Glaube an Demokratie und Gerechtigkeit. Der Glaube an die Regierenden und die Staatsmacht. Das Bürgertum wird sich nicht mehr alles gefallenlassen, wird kritischer und hinterfragt mehr. Und spätetstens mit der Landtagswahl im März ist Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg Geschichte. Den es wird auch nicht vergessen. Diese Bilder von roher Staatsgewalt, angeordnert durch Innenminister Rech, unterstützt von Ministerpräsident Mappus, die gestern im Park enstanden sind, haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben und diese Bilder werden nicht so schnell wieder verschwinden.

Nachts um ein Uhr saß ich immer noch vorm Internet und sah im Livestream, wie schwarz gekleidete, behelmte Polizisten Gasmasken aufzogen und sich mit Schilden bewaffneten. Es sah aus, als zögen sie in den Krieg. Kurz danach fielen die erste Bäume. 280 Jahre alte Bäume, die zwei Weltkriege überlebt haben und jetzt von der CDU/FDP Regierung und Bahnchef Grube für ein umstrittenes und zutiefst zweifelhaftes Projekt geopfert werden. Die Demonstranten schrien, pfiffen, weinten, aber blieben friedlich.
Auch ich saß vor meinem Rechner und konnte nicht mehr aufhören zu weinen, während im Hintergrund der Bagger die Bäume umriss. Durchgesetzt mit roher Staatsgewalt, die sich durch mit Gasmasken und Schilden, Schlagstöcken und Helmen bewaffnete Polizisten manifestierten.
In dem Moment zerbrach auch in mir der letzte Rest an Vertrauen in diesen Staat.

Verantwortlich hierfür ist nicht die Polizei, sie ist der falsche Schuldige. Die Brutalität ihres Vorgehens ist allerdings auch nicht zu rechtfertigen. Wirklich verantworlich jedoch sind Mappus, Rech, Grube, Schuster und Co, die sich ihrer bedienen um ihre Interessen durchzusetzten. Es wird Zeit, dass sie zurücktreten!! Allen voran Innenminister Rech. Wer auf seine Bürger mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfer losgeht ist nicht mehr tragbar!

Donnerstag, 30. September 2010

So sieht Demokratie aus

Stuttgart 30.09.10
Wasserwerfer ,Tränengas und Schlagstockeinsatz gegen friedliche Demonstranten, Kinder und Rentner! DAS sind die guten Argumente der S21 Befürworter! Damit läßt sich sicher auch noch der letzte Gegener von der Sinnhaftigkeit dieses "Zukunftsprojektes" überzeugen!

Und während in Stuttgart die Angriffe der Staatsgewalt seit Stunden gegen das Volk laufen, hüllen sich fast unsere gesamten Medien in Schweigen....

RIP - Ihre Demokratie


http://twitpic.com/2tc02r

Montag, 16. August 2010

Eine Stuttgarterin zu S21

Ich wohne in Stuttgart.
Was ich hier zurzeit erlebe, hätte ich dieser Stadt nicht zugetraut. Bürger aus allen Schichten haben sich zusammengeschlossen, um sich gegen Stuttgart 21 zur Wehr zu setzen. Sie fühlen sich belogen und betrogen und von den hiesigen Politikern mit Füßen getreten. Wenn man sich anschaut, was in den letzten Wochen so alles ans Licht kam, brauch man sich über die wachsende Wut nicht wundern.

So kamen mal wieder Kostensteigerungen für die Neubaustrecke Ulm-Wendligen in Höhe von über 800 Millionen € raus.
Unser Finanzbürgermeister Föll saß im Beirat der Firma Wolff & Müller, die den Zuschlag für den Abriss des Nordflügels bekommen haben (nach massiver Kritik der Suttgarter hat er diesen Posten aufgegeben).
Mappus hat 2001, 1,45 Millionen Bahnkilometer gekauft, die erst nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 benötigt werden. Der Grund - die Bahn hat festgestellt, dass für die Wirtschaftlichkeit des Projektes über 100 Millionen € fehlen. Also hat das Land nachgeholfen und sich S21 gekauft.

Weitere Punkte, das Projekt abzulehnen sind mehrere Studien, die in letzter Zeit öffentlich wurden.

Da ist zum einen die Studie des Bundesrechnungshofes, der von Kosten für den Tiefbahnhof in Höhe von 5,3 Milliarden € ausgeht.
Dem Bahnchef Grube ist diese Studie unbekannt. Offensichtlich noch heute, den die Bahn hält an ihren schön kalkulierten 4,088 Milliarden € fest. Die kamen allerdings erst zustande, nachdem man die Dicke der Betonröhren auf Kosten der Sicherheit, dünner gemacht hat. Sonst wäre nämlich die Schmerzgrenze von 4,5 Milliarden € überschritten worden.
Für die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen sagt der Bundesrechnungshof Kosten in Höhe von 3,2 Milliarden € vorraus. 300 Millionen mehr als die Bahn.
Hier ein schöner Bericht von Frontal 21 dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=PJritWnnCVM&feature=related

Eine Studie der Firma SMA, die vom Land BaWü in Auftrag gegeben wurde, attestiert dem Projekt ein "hohes Stabilitätsrisiko", spricht von einem "schwer beherschbaren Gesamtsystem" und von einer "geringen Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplans". Laut dieser Studie werden mit S21 Engpässe geschaffen, die es heute mit dem Kopfbahnhof nicht gibt.
Die Gegener haben diese, zwei Jahre lang von Land geheimgehaltene Studie nun veröffentlicht. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie sich auf diese veraltete Studie berufen. Die Engpässe die dort genannt werden seien längst behoben. Komischerweise wurde für die im Gutachten benannte Schwachstelle zum Flughafen, erst nach bekannt werden der Studie ein zweites Gleis geplant.

Ein weiteres Gutachten des Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss, dass der für die Wirtschaftlichkeit des Projekts benötigte Güterverkehr die Neubaustrecke gar nicht befahren kann. Dieser muss sich also wie bisher weiter die Geislinger Steige hinaufschlängeln. Und die schönen neuen leichten Güterzüge, die die Strecke befahren können und die von de Befürwortern immer wieder als Pro Argument genutzt werden, gibt es so gar nicht.

Gerne wird den Gegener auch vorgeworfen, dass alles demokratisch legitimiert und sauber durch Parlamente abgesegnet worden sei und sie viel zu spät kämen mit ihrem Protest: Hätten sie sich mal früher zu Wort gemeldet... Haben sie. Bereits 1997 forderten sie einen Bürgerentscheid zu Stuttgart 21. Hier ein Video dazu: http://www.archive.org/details/Stuttgart_1997&reCache=1
Schuster versprach im Wahlkampf 2004 einen Bürgerentscheid durchzuführen, wenn die Kosten steigen sollten. Darauf warten wir bis heute.
2007 sammelten Stuttgarter Bürger, innerhalb weniger Wochen 67 000 Unterschriften gegen das Projekt. Sie wollten einen Bürgerentscheid. Dieser wurde abgelehnt.
Heute behauptet OB Schuster, die Bürger wären wiederholt gefragt worden und es wären Umfragen gemacht worden, in denen zwei drittel S21 zugestimmt hätten.
Ich wohne schon sehr lange in Stuttgart und befaße mich auch schon lange mit dem Projekt. Gefragt wurde ich noch nie. Auch meine Freunde, die ebenfalls lange, oder schon immer in Stuttgart wohnen, wurden nie gefragt...

Ein Punkt, der für S21 spricht ist die Fahrzeitverkürzung nach Ulm. Heute 58 Minuten, soll man dann in 28 Minuten da sein. Hätte man jedoch die Strecke nicht über Jahre vernachlässigt, wäre man heute in 40 Minuten in Ulm.

Es wird auch immer davon geredet, dass wir einen Anschluss an den Fernverkehr bekommen. Wir HABEN einen Anschluss an den Fernverkehr. Es halten ICE, TGV und weitere Hochgeschwindigkeitszüge bei uns. Stuttgart ist kein Provinzbahnhof, in den nur Regionalbahnen einfahren, sondern der zweitpünktlichste Bahnhof Deutschlands.

Weitere Punkte, die gegen S21 sprechen sind:
- Verringerrung der Gleise von 16 auf 8 Gleise
- Haltezeit von Zügen zwischen 1 und 2,2 Minuten - viel Spaß, wenn man mit viel Gepäck oder Kinderwagen unterwegs ist.
- Ebenerdiger problemloser Zugang wird zu Rolltreppe und Aufzug.
- Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Bonatzbaus
- Zerstörung eines wunderschönen Parks, der von der Stuttgarter Bevolkerung heißgeliebt wird.
- Großbaustelle von 10 Jahren (lt. Befürworter), 15 - 20 Jahre (lt. Gegner)
- Für die Baustelle muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Die Pflanzen werden sich freuen. Die Gegner sehen die Mineralwasserquellen in Gefahr.

Ich könnte noch mehr Argumente gegen Stuttgart 21 aufführen. Mich haben die Argumente der Gegener jedenfalls gründlich überzeugt.
Auch wenn uns Gegnern immer wieder vorgeworfen wird, wir wären ewiggestig und stellen uns gegen die Zukunft der nachfolgenden Generationen werde ich weiterhin für meinen ungeborenen Sohn auf die Straße gehen. Zukunft sehe in diesem Projekt nicht. Zukunft wäre es für mich, wenn das Geld in Bildung, Kitas und Schulen gesteckt wird.

Trotz der steigenden Wut bleibt alles friedlich. Am Freitag versammelten sich über 20 000 Demonstranten zu einer Menschenkette um den Bahnhof. Die meisten hielten Kerzen in der Hand, die von den Organisatoren besorgt wurden. Als es dunkel wurde und die Menschen zum Rathaus zogen, gab die Menge mit den Kerzen ein wunderbares Bild ab. Es macht grad wirklich viel Freude hier zu wohnen und zu sehen, wie eine Bewegung von Tag zu Tag wächst.

Zum Abschluss noch eine kritische Videoempfehlung zum Projekt: http://swrmediathek.de/player.htm?show=a9828cc0-a384-11df-96e4-00199916cf68

Letzte Änderungen

Ägypten und die Angst vorm... (f-chen, 04.Feb 11, 13:11)

Ägypten und unsere Politiker (f-chen, 01.Feb 11, 19:14)

Eine Liebeserklärung (f-chen, 25.Dez 10, 21:57)

Welch Liebeserklärung.. schön.. (flying turtle, 25.Dez 10, 20:32)

Stimmt absolut dein Bericht. Aber... (iguana08, 04.Okt 10, 01:27)